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Illner Solutions

[ Original-Werk ! ]


3. 4. 1  Vierwertige Aussagenlogik  AL4


Dieses Kapitel ist der Kern von [Teil 3]. Jetzt kommt die vierwertige Logik, in den späten 1990ern vom IS-Institut entwickelt.*

Die vierwertige Aussagenlogik AL4 ist eine konservative Erweiterung der zweiwertigen Aussagenlogik AL2. Sie ist eine epistemische Logik, die Wissensbasen beschreibt, die niemals vollständiges Weltwissen haben können. AL2 beschreibt in der Realität hingegen ein ideales absolutes Weltwissen. So wie es ist, nicht wie man es weiß.

[ * Bereits in den 1970ern hat Nuel? Belnap ganz ähnlich vier logische Werte eingeführt. Seine Operatoren dazu sind jedoch anders (vgl. [Belnap1976]). ]

AL4  =  ( { T, U, X, F }, { ¬ , ~ , und, oder, →, => } )





3. 4. 1. 1  Vier epistemische Werte

3. 4. 1. 2  Negations-Junktoren

3. 4. 1. 3  Konjunktion und Adjunktion

3. 4. 1. 4  Implikations-Junktoren






3. 4. 1. 1  Vier epistemische Werte

Hintergrund ist das automatische Schließen in lernfähigen Wissensbasen (vgl. [3.1]). Die Menge der zwei klassischen logischen Werte { wahr, falsch } für ideales Wissen wird um weitere zwei auf vier logische Werte erweitert, die als Antwort in einer realen Wissensbasis auftreten können.

Automatisches Schließen

Zweiwertige klassische Logik beschreibt die Zusammenhänge in der Welt bzw. unserer inneren Repräsentation von ihr. Eine Anfrage an die zweiwertige Logik setzt voraus, dass diese absolutes Wissen besitzt. Sollte sich beim Ableiten von Anfragen, von möglichen Fakten, herausstellen, dass Wissen fehlt, so wird die Anfrage mit FALSCH beantwortet. Stellt sich heraus, dass es einen Widerspruch gibt, so wird das ebenfalls mit FALSCH beantwortet ??

Das ist für theoretische Probleme wie mathematische Beweise wunderbar, für konkrete Wissensbasen ist das aber unbefriedigend.

Darum gibt es zahlreiche Versuche wie parakonsistente Logiken? ...

Motivation der vier Werte

Bei widersprüchlichem Wissen gibt es mindestens eine Ableitung für A und eine für nicht-A. Damit wird bei zweiwertiger Logik die ganze Wissensbasis inkonsistent und nichts geht mehr.
Bei fehlendem Wissen gibt es weder für A noch für nicht-A eine Ableitung.
Entsprechend gibt es für die Antwort wahr mindestens eine Ableitung für A und für falsch mindestens eine Ableitung für nicht-A.

Es bietet sich an, diese vier Kombinationen von Ableitbarkeiten zu betrachten. Ob das vorhandene Wissen für eine Ableitung genügt, ist eine epistemische Frage. Man kann deshalb vier epistemische Werte bilden, nennen wir sie {T, U, X, F}.
Während die zwei klassischen Werte t, f nur eine Eigenschaft haben, nämlich ihr Wahrheitslevel, an oder aus, so haben T, U, X, F zwei Eigenschaften, nämlich wieder ihr  Wahrheitsgehalt ! / Wahrheitswertlevel und zusätzlich ihr Wissensgehlalt / Bestimmtheit.
X ist offenbar weniger bestimmt als die vertrauten Werte T, F, denn es liegen gar keine Argumente zu einer Aussage vor. Es liegt ein Mangel an Wissen vor, X meint unterbestimmt.
Bei U hingegen liegt ein Überschuss an Wissen vor, U meint überbestimmt. Es gibt zuviele Argumete, sogar widersprüchliche.
Dies kann zweidimensional in Form einer Raute visualisiert werden.

U
T            F
X

Das Gegenüber-Stehen hat mit Verneinung / dem Gegenteil zu tun. Welcher Art ist das nicht bei nicht-A ?

Komponenten-Struktur der vier Werte

Die vier epistemischen Wahrheitswerte sind durch die Angabe der beiden Ableitbarkeiten eindeutig definiert. Man kann sie als Paar von zwei Ableitbarkeits-Komponenten, kurz Komponenten, beschreiben: aus der Antwort auf "gibt es Argumente, dass A wahr ist" und der Antwort auf "gibt es Argumente, dass A falsch ist". In klassischer zweiwertiger Logik ist der Fall einfacher: ist die eine Antwort bekannt, so hängt die andere direkt davon ab.
Die beiden Teilantworten sind jeweils zweiwertig. Denn eine Wissensbasis hat entweder Argumente oder nicht. (nächstes Level: ob die Argumente auffindbar sind ?) Die Existenz ist zweiwertig.

Aus der Komponentenschreibweise ( P ° nicht-P ) kann man das Wahrheitslevel und die Informiertheit ablesen, es ist also eine geeignete Darstellung.

T  =  ( t ° f )
U  =  ( t ° t )
X  =  ( f ° f )
F  =  ( f ° t )

Die vier Werte sind eindeutig angeordnet. Sie sind stückweise partiell geordnet, einmal nach sinkendem Wahrheitslevel von T bis F und bei U, X nach sinkender Informiertheit. Das ist gegenüber der zweiwertigen Logik das zusätzliche Konzept im System.

Das Supremum der vier Werte ist T, das Imfimum ist F. Näheres zu solchen Eigenschaten bei der zugehörigen Algebra in [3.4.2 Heyting-Algebra H].


3. 4. 1. 2  Negations-Junktoren

Der erste Junktor von AL4 soll eine einstellige Negation sein. Bei der Negation der vier Werte von AL4 beginnen bereits die Schwierigkeiten. Welches Gegenteil meinen wir ? Es gibt zwei Möglichkeiten:
  1. syntaktisch: das Gegenteil bzgl. der beiden einzelnen Ableitungen – komponentenweise fortgesetzt
  2. semantisch: das Gegenteil bzgl. dem Ergebnis der Ableitungen – Komponententausch

Syntaktische Negation

Das syntaktische Gegenteil NOT1 sei das Gegenteil bzgl. der beiden einzelnen Ableitbarkeiten für A und nicht-A. Das L2-NOT wird auf die beiden Komponenten zweiwertig fortgesetzt.

                   T    U    X    F
NOT1        F    X    U    T

Für die beiden klassischen Werte ist dies gleich wie das zweiwertige NOT.
Das Wahrheitslevel wird verkehrt, gut. Dazu wird aber auch die Bestimmtheit verkehrt.

Kann man das NOT1 auf die Komponenten einfach fortsetzen ? Ja:
not1-U  =  not1 (t°t)  =  ( not1-t °  not1-t)  =  (f°f)  =  X
not1-X  =  not1 (f°f)  =  ( not1-f °  not1-f)  =  (t°t)  =  U

Wir haben:    not not U  =  not X  =  U,    not not X  =  not U  =  X
=>  Es gilt:    not not A  =  A

[Belnap1975] definiert in seinem FOUR alle seine Junktoren über die Komponenten. Für das NOT benutzt er diese syntaktische Negation.

Semantische Negation

Das semantische Gegenteil NOT2 sei das Gegenteil bzgl. der Ableitbarkeiten für A und nicht-A zusammen. Das NOT wirkt sich als Vertauschen der beiden Komponenten aus.

                   T    U    X    F
NOT2        F    U    X    T

Für die beiden klassischen Werte ist dies gleich wie das zweiwertige NOT.
Das Wahrheitslevel wird verkehrt, gut. Die Bestimmtheit bleibt hingegen in allen vier Fällen gleich.

Kann man das NOT2 auf die Komponenten einfach fortsetzen ? Nein:
Wegen  not2-U  =  not2 (t°t)  =  (t°t)  =  U  geht es nicht. Der Wert wird direkt genommen.

Wir haben:    not not U  =  not U  =  U,    not not X  =  not X  =  X
=>  Es gilt:    not not A  =  A


3. 4. 1. 3  Konjunktion und Adjunktion

Interessant wird es erst mit den zweistelligen Junktoren Konjunktion (AND) und Adjunktion (OR).

Konjunktion

AND soll richtung Infimum (s.o.) gehen, es soll weder der Wahrheitswert zunehmen, noch die Bestimmtheit.

UND    T    U    X    F
T    T    U    X    F
U    U    U    X    F
X    X    X    X    F
F    F    F    F    F

Kann man das AND auf die Komponenten einfach fortsetzen ? Nein:
Wegen  U and X  =  (t°t) and (f°f)  =  (f°f)  =  X  geht kein or in der zweiten Komponente o.ä..
Der unwahrere bzw. unbestimmtere Wert wird direkt genommen.

Das neutrale Element von AND ist T, F ist dominant.
Das Kommutativgesetz gilt offenbar.
Das Assoziativgesetz gilt ebenfalls:
U and (X and U)  =  U and X  =  X  =  X and U  =  (U and X) and U
X and (U and X)  =  X and X  =  X  =  X and X  =  (X and U) and X
U and (U and X)  =  U and X  =  X  =  U and X  =  (U and U) and X

Wie sieht die Wahrheitsstafel bei [Belnap1975] aus ?
Er definiert sie über die Komponenten. AND auf der ersten, OR auf der zweiten.
Das führt bei ihm zu:  U and X  =  F  und  X and U  =  F . Was das bedeuten soll, weiß ich nicht ...

Adjunktion

OR soll richtung Supremum (s.o.) gehen, es soll weder der Wahrheitswert abnehmen, noch die Bestimmtheit.

ODER    T    U    X    F
T    T    T    T    T
U    T    U    U    U
X    T    U    X    X
F    T    U    X    F

Kann man das OR auf die Komponenten einfach fortsetzen ? Nein:
Wegen  U or X  =  (t°t) and (f°f)  =  (t°t)  =  U  geht kein and in der zweiten Komponente o.ä..
Der wahrere bzw. bestimmtere Wert wird direkt genommen.

Das neutrale Element von OR ist F, T ist dominant.
Das Kommutativgesetz gilt offenbar.
Das Assoziativgesetz gilt ebenfalls:
U or (X or U)  =  U or U  =  U  =  U or U  =  (U or X) or U
X or (U or X)  =  X or U  =  U  =  U or X  =  (X or U) or X
X or (X or U)  =  X or U  =  U  =  X or U  =  (X or X) or U

Ist  A or not1-A  noch Tautologie ? Nein, wegen U und X kommt nicht immer T heraus.
Ist  A or not2-A  noch Tautologie ? Nein, wegen U und X kommt nicht immer T heraus.

Wie sieht die Wahrheitsstafel bei [Belnap1975] aus ?
Er definiert sie wieder über die Komponenten. OR auf der ersten, AND auf der zweiten.
Das führt bei ihm zu:  U or X  =  T  und  X or U  =  T . Das ist ja noch bizarrer als oben bei AND ...

Da Belnap das syntaktische NOT verwendet, hat er auch keine Tautologien, gar keine(!), auch nicht  A oder not-A. (?)

Rechengesetze

Distributivgesetze mit AND, OR gelten. Bei Belnap anscheinend auch.
(Ausmultiplizieren I)

U or (X and U)  =  U or X  =  U  =  U and U  =  (U or X) and (U or U)
U and (X or U)  =  U and U  =  U  =  X or U  =  (U and X) or (U and U)
...


Idempotenz / Absorption ?


De Morgan'sche Regeln mit AND, OR und beiden NOTs
(Ausmultiplizieren II)
not1 (U and X)  =  not1-X  =  U  =  U  =  X or U  =  not1-U or not1-X
not1 (U or X)  =  not1-U  =  X  =  X  =  X and U  =  not1-U and not1-X

not2 (U and X)  =  not2-X  =  X  !=  U  =  U or X  =  not2-U or not2-X
not2 (U or X)  =  not2-U  =  U  !=  X  =  U and X  =  not2-U and not2-X

=> De Morgan funktioniert nur, wenn das NOT Wahrheitsgehalt & Wissensgehalt umkehrt ! Weil UND, ODER auch entsprechend sind.

Wie ist das bei Belnap ? definiert er etwa extra nands und nors ??!

...
Mit dem bisherigen kann man Schaltungen entwickeln (s. ...)


3. 4. 1. 4  Implikations-Junktoren

Was erhalten wir mit -> = nicht-oder ?

A -> B  =  not1-A or B
Das syntaktische NOT1 dreht die Reihenfolge der vier Werte um, deshalb wird die Wahrheitstafel einfach vertikal in der Mitte gespiegelt.
T -> ... - die Konklusion
F -> ... - immer T
X -> X  =  not1-X or X  =  U or X  =  U
U -> X  =  not1-U or X  =  X or X  =  X
X -> U  =  not1-X or U  =  U or U
U -> U  =  not1-U or U  =  X or U

A => B  =  not2-A or B
Das semantische NOT2 kehrt nur den Wahrheitsgehalt der vier Werte um, deshalb werden in der Wahrheitstafel einfach zwei Spalten vertauscht.
T => ... - die Konklusion
F => ... - immer T
X => X  =  not2-X or X  =  X or X  =  X
U => X  =  not2-U or X  =  U or X  =  U
X => U  =  not2-X or U  =  X or U
U => U  =  not2-U or U  =  U or U

Mit syntaktischem NOT:
Die Impl ist X, wenn X aus T oder U folgen soll bzw. wenn F (oder X) aus U folgt .
Die Impl ist U, wenn U folgen soll (außer aus F) bzw. wenn aus X folgt (außer aus F).

Mit semantischem NOT:
Die Impl ist X, wenn X aus T oder X folgen soll bzw. wenn F (oder X) aus X folgt .
Die Impl ist U, wenn U folgen soll (außer aus F) bzw. wenn aus U folgt (außer aus F).

Was hat das zu bedeuten ? ...





Erstmals kreiert am – Samstag, 22. November 2014
Letzrmals geändert am – Montag, 08. Juni 2015
Wieder aufgenommen am Mittwoch, 25. Dezember 2019 – Samstag, 28. Dezember 2019
Autor: Korgüll


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